Der Regen trommelt penetrant auf meinem
Fensterbrett im Takt zu den nervigen Straßenbahnen, die vor einer
Stunde den Bus-Nachtverkehr abgelöst haben. Ein Blick auf meinen
Wecker verrät mir das Es noch Zeit ist, sich mindestens sieben Mal
unterm Kopfkissen zu verstecken, um die bald aufgehende Sonne zu
ignorieren. Aus dem Flur dringen Geräusche zu mir vor, die ich für
Stimmen in meinem Kopf halte, denn das Du vor meiner Zimmertür
stehst und singst, ist unmöglich. Mit verschlafenen Augen und
zittrigen Fingern greife ich nach meiner Brille, die mit meiner Kette
und unzähligen Ohrringen zusammen einen glitzernden Klumpen ergeben.
Als die Tür aufgeht, setze ich mir das Knäuel, in welchem sich
meine Brille befindet, auf die Nase und sehe dich skeptisch an.
„Du verpasst ja alles, ich hab sicher
eine halbe Ewigkeit nach deinen Gummistiefeln gesucht, aber nun habe
ich alles zusammen, können wir los?“ Mächtig verwirrt und noch
etwas benommen vom Schlaf, krabble ich nickend aus meinem Bett und
steige in die Gummistiefel, die du mir freudig strahlend
entgegenstreckst. Und da ist es wieder, das Geräusch aus dem Flur.
Du stehst vor mir und singst das Lied, welches du für mich
„geschrieben“ hast, immer wieder dieselbe Zeile zu einer immer
wechselnden Melodie – You have to be my angel!
Meine Zeitreisemaschine scheint
hervorragend zu funktionieren, denn schon wieder hänge ich in
Erinnerungen fest. Ereignisse noch einmal zu durchleben, schmerzen
erst im Nachhinein, also lasse ich mich darauf ein:
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht
strecke ich dir beide Hände entgegen, du hilfst mir auf, ziehst mich
ganz dicht an dich heran und küsst mich vertraut und zärtlich.
„Los Wusel, bevor wir den Regen ganz
verpassen!“
In Schlafanzug und Gummistiefeln
gekleidet machen wir uns auf, in den noch dunklen Morgen.
Der letzte Rest Mond spiegelt sich auf
den nassen Straßen und wir rennen wie Kinder von Pfütze zu Pfütze.
Du nimmst mich huckepack und stiefelst mit mir im Gepäck in Richtung
Spielplatz, wo du mich auf die Rutsche setzt und dir die feuchten
Haare mit den Händen nach hinten kämmst. Ich sehe dich lange an und
streichle dein regennasses Gesicht, ich hatte fast vergessen, wie gut
du aussiehst. Und noch bevor ich sentimental werden kann, küsst du
mich leidenschaftlich und bestimmend.
Ein plötzlicher Hustenanfall weckt
mich abrupt. Ich weiß noch genau, wie wir in dieser Nacht im Regen
miteinander geschlafen haben, bevor wir unter die warme Dusche
flüchten. Auch wenn ich dich jeden winzigen Augenblick am Tag
vermisse, weine ich nun vor Erleichterung aufgewacht zu sein. Dich
noch einmal zu spüren ist alles was ich will und auch wieder nicht,
denn im Endeffekt wache ich wieder hustend und alleine auf, mit
deinem Lied im Kopf!