Freitag, 25. Oktober 2013

"Wie oft lag ich wohl schon da unten und hab geweint mit meinen Boxhandschuhen vor den Augen und gewinselt, dass Du gewonnen hast, hör bitte bitte auf."

Sonntag, 6. Oktober 2013

Abschied


Ich öffne meine Augen und sehe Staubkörner, begleitet vom Sonnenlicht, die tanzend auf meinen müden Körper fallen. Langsam drehe ich mich, auf der viel zu weichen Matratze im Gästezimmer meiner Eltern, auf die Seite und umklammere mit beiden Beinen die kalte Bettdecke.  Stille. Vorsichtig nähern sich leise Schritte meiner Tür und eine Stimme flüstert meinen Namen. Stille. Die Tür öffnet sich langsam, und starrende Blicke durchbohren meinen reglosen Rücken. Die Stimme meiner Mutter fragt mich, ob ich etwas essen möchte und sie klingt unglaublich weit entfernt. Die Tür schließt sich und unbemerkt übernimmt mein Körper die Kontrolle, indem er in ein zitterndes Schluchzen ausbricht, welches ich um jeden Preis vermeiden wollte. Einsame Tränen bewegen sich glitzernd aus meinen Augenwinkeln in Richtung Nase und kitzeln mich zusammen mit den staubigen Sonnenstrahlen.
Atmen. Neben mir vibriert unruhig blinkend mein Handy. Ich drehe mich auf den Rücken und versuche nicht an dich zu denken. Atmen. Atmen. Ein Gefühl der Leere durchfließt meinen Körper und ich fühle mich schrecklich einsam. In diesem Moment an dich zu denken, mich nach dir zu sehnen und dich so unglaublich zu vermissen kommt mir falsch vor. Meine Tränen dürfen nicht dir gehören, nicht heute. Nicht jetzt. Atmen. Atmen. Ich stehe auf und gehe langsam zum Kleiderschrank, an dem schon ein Kleid hängt, welches meine Mutter für mich gebügelt hat. Schwarz. Ich streife es über und fahre mir mit den Fingern durch die Haare, während ich mir in Zeitlupe die Zähne putze. Im Spiegel vor mir blicke ich einer Fremden ins Gesicht. Sie sieht traurig aus und die dunklen Ringe unter ihren feuchten, blassen Augen scheinen nicht erst von gestern zu sein. Teilnahmslos.
Der Kopf der fremden Frau im Spiegel neigt sich zusammen mit meinem dem Waschbecken zu, um sich kaltes Wasser ins Gesicht zu streichen. Wieder ruft jemand meinen Namen. Ich schleife meinen schwachen Körper ins Wohnzimmer und sehe einen fahlen, verletzlich wirkenden Mann, dem unerbittlich Tränen aus seinen geröteten Augen laufen. Ich habe meinen Vater vorher noch nie weinen sehen. Als ob er nur darauf gewartet hätte, erwidert er meine Umarmung und sackt noch ein kleines bisschen in sich zusammen. Ein gestandener Mann, plötzlich ganz klein.
Ich versuche ihn anzulächeln, irgendetwas Aufmunterndes zu sagen, ihn zu trösten, aber ich kann nicht. Mein Blick bleibt leer. Und meine Gedanken sind wieder bei dir. Atmen. Immer weiter Atmen.
Im Auto sitze ich neben meiner Großmutter und meinem Bruder. Beide schwach an Kraft und ruhig weinend. Meine Hände halten die weißen Rosen, die später auf dem Grab liegen werden und mir wird bewusst, dass es nicht nur falsch, sondern auch dreist ist, in einem solchen Augenblick an dich zu denken. Doch ich kann nichts dagegen tun, nichts gegen meine Gefühle, nichts gegen meine Gedanken und den Wunsch jetzt bei dir zu sein. Ich wäre gerade nirgendwo lieber als in deinem Bett, weinend an dich gekuschelt, damit du mich tröstest, damit du mir sagst, dass alles gut wird. Damit du zusammen mit mir um meinen Großvater trauerst.
Aber ich bin alleine auf dem Weg zur Beerdigung meines Opas, der nun für immer fort ist, und meine Gedanken und Gefühle gehorchen mir nicht. Der Wagen biegt auf die Friedhofseinfahrt ab und ich lasse die Blumen in meinen Schoss sinken, um an der Schulter meines Bruders zusammenzubrechen.

Freitag, 4. Oktober 2013

Opa


Ich lockere meinen Zopf und streiche mir durchs offene Haar, wische mir die schwarzen tränen unter den Augen weg und atme tief durch, bevor ich das Badezimmer verlasse und mit weichen Knien zu deinem Krankenbett wanke.
Du lächelst mir zahnlos zu und deine Augen glänzen, klein und müde. Ich habe nicht erwartet so zu fühlen, bin davon ausgegangen es wäre leichter mich zu verabschieden, aber es überkommt mich wie ein Schauer, springt mich an und hält mich fest.
Langsam setze ich einen Fuß vor den anderen und nähere mich dir.
Wie klein du plötzlich wirkst, in deinem gepunkteten Krankenhauskleidchen. Krampfhaft versuche ich mich daran zu erinnern, wie du früher warst, doch es gelingt mir nicht, und um so länger ich darüber nachdenke, desto schuldiger fühle ich mich.

Schuldig, weil ich dich nicht kenne. Schuldig, weil ich es zugelassen habe nichts über dich zu erfahren.
Und schuldig, weil ich in Gedanken ganz woanders bin.
Auf Kopfhöhe deines Bettes steht ein steriler Holzstuhl, auf welchen ich mich niederlasse. Vorsichtig nehme ich deine kalte schwache Hand, die überseht ist mit blauen Flecken, die schon fast ans lila grenzen und ich weiß beim besten Willen nicht was ich sagen soll.
Du fragst mich, wie es zu Hause läuft und ob es mir gut geht, doch ich weiß nichts darauf zu antworten.
Schließlich entscheide ich mich zu lügen, dir nicht mein Leid zu klagen und lächle dich nur leer an. Denn es hat keinen Sinn dich jetzt noch mit meinen Problemen zu belasten.

Wortleer berichte ich dir von Nichtigkeiten und versuche dabei nicht deine kostbare Zeit zu verschwenden, denn wer weiß, wie viel dir noch bleibt.
Uns bleiben noch genau fünf Minuten, denn dann endet die Besuchszeit und ich werde dich nie wieder sehen.
Auf einmal fühle ich mich in meine Kindheit zurück versetzt und da sitzen wir, du in deinem Fernsehsessel und ich mit meinem Heidi Buch auf deinen Knien.
Ich bin vielleicht vier Jahre alt und du horchst gespannt der erfundenen Geschichte, welche ich dir aus dem Bilderbuch vorlese.
Deine kalte Hand drückt die meine ein wenig fester und ich stelle mit erschrecken fest, dass dies die wichtigste Erinnerung ist, die ich von dir habe.

Die Schwester betritt das Zimmer, um mir zu signalisieren, dass es an der Zeit ist, zu gehen und so richte ich mich zitternd auf und beuge mich zu dir runter.
Zaghaft nehme ich dich ein letztes Mal in den arm, zu locker fürchte ich, denn ich habe Angst dich zu verletzen.
Du küsst meine Stirn und flüstern mir ins Ohr, das alles gut gehen wird und das wir uns nächstes Mal sehen.
Stumm weinen laufe ich rückwärts aus dem Zimmer und bringe es einfach nicht übers Herz dir zu sagen, das es kein nächstes Mal mehr geben wird.
Und auf dem Weg zum Auto bleibe ich plötzlich wie versteinert stehen und frage mich, ob ich dir jemals gesagt habe, wie lieb ich dich hab...

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Es gibt keinen einzigen Grund, weshalb ich noch mit dir zusammen sein wollte!


Ich bin schon längst wach,  halte meine Augen trotzdem fest geschlossen, aus Angst vor der Gewissheit, dass du nicht mehr da bist. Ich habe dich vergangene Nacht aus der Wohnung geschmissen, um gleich im Anschluss im Türrahmen zusammenzubrechen. Deine Worte hallen noch immer in meinem Kopf wieder und es fällt mir nur schwer zu begreifen was mit uns passiert ist. Langsam öffne ich meine Augen und Dunkelheit umhüllt meinen zitternden Körper. Meine Hände umklammern ein altes Shirt von dir und der vertraute Geruch weckt falsche Hoffnungen in mir. Lautlos kullern Tränen mein Gesicht entlang und ich ersticke meine Schreie in deinem La Dispute Shirt, welches ich dir letztes Jahr geschenkt habe. Mein Kopf ist leer, kein einziger Gedanke, der es Wert wäre zu Ende gedacht zu werden und die Stille aus deinem Kopfkissen, welches deinen Kopf nie wieder tragen wird, ist unerträglich. Deine Blicke waren leer, fast tot, als du den Boden vor meinen Füßen angestarrt hast. Deine Stimme dünn, kaum zu hören, aber das Gesagte werde ich niemals vergessen: 
"Ich liebe dich nicht mehr und es gibt keinen einzigen Grund, weshalb ich noch mit dir zusammen sein wollte!!"

Ich stehe auf, versuche zu laufen. Wacklig auf den Beinen, mein Magen flau und müde. 
Es kommt mir noch immer vor als ob es Gestern war, dabei bist du schon so lange nicht mehr Teil meines Lebens.
Man fragt mich wie ich den Schmerz und die Trennung überleben konnte?..., aber habe ich das denn?
Lebe ich noch? Ich existiere so wie ich einmal war nicht mehr. 
Aufgelöst in Tausend winzige Teile, bin ich verstreut und unstetig. Ich wandere durch mein einstiges Leben und erkenne nichts wieder. Die Bäume sind kleiner, die Menschen schneller und die Geräusche dumpfer. Ich möchte rennen, schreien, mich kurz ausruhen, aufstehen, nicht nach unten sehen, vergessen und dann die Augen öffnen. 
Doch da stehst du. An jeder Ecke, in jeder Bahn, in jeder Scheibe -  dein Spiegelbild. 
Und du kennst keinen einzigen Grund, weshalb du noch mit mir zusammen sein solltest.